Das sind die unfassbaren Klinik-Geschichten unserer Leser

In dieser Woche hat FOCUS online den Finger in die Wunder gelegt: Wir haben aufgezeigt, welche Probleme es in unserem Gesundheitssystem, in unseren Praxen und Kliniken gibt. Viele unserer Leserinnen und Leser haben das am eigenen Leib erfahren. Hier einige Stimmen.

Viele Pfleger, Krankenschwestern und andere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter aus dem Gesundheitssystem haben uns geschrieben, wie sehr sie unter den Zuständen in den Kliniken, dem Personalmangel und der Überforderung leiden:

„Es ist traurig und erschreckend“, berichtet eine Krankenschwester . „Wir, das Pflegepersonal, gehen nach jeder Schicht gefühlt halbtot nach Hause. Und unser Leben abseits des Berufs bleibt immer mehr auf der Strecke. Im Kopf entstehen Fluchtgedanken, Flucht vor diesem Chaos. Ich bin einfach traurig und hoffnungslos.“

„Ich arbeite seit 1996 im Gesundheitswesen, sprich Altenheim, häusliche Pflege, und seit 13 Jahren in einem Krankenhaus“, erzählt uns eine Pflegerin. „Die Zustände sind katastrophal, gefährliche Pflege, Stress und Ausnahmezustände sind die Regel. Und es ist noch nicht das Ende der Fahnenstange. Wir sind am Ende.“

„Die Ursache der überlasteten Notfallversorgung fängt meiner Meinung nach schon in den Arztpraxen an“, erzählt uns Monika R. , die selbst über 45 Jahre im Gesundheitssystem tätig war. „Der Anrufbeantworter tönt: 'Alle Mitarbeiter sind gerade beschäftigt, rufen Sie später noch einmal an oder schreiben Sie eine Mail.' Viele meiner älteren Nachbarn und Nachbarinnen besitzen keinen Internetanschluss und sind gehbehindert, sodass eine Absprache für einen Arzttermin ohne fremde Hilfe nicht möglich ist.“

„Die generelle Auffassung von einem im Kollabieren befindlichen System ist leider nicht neu“, schreibt Berndt Birkner, der Präsident Netzwerk gegen Darmkrebs , nachdem FOCUS online den ersten Artikel des Schwerpunkts Krankes Gesundheitssystem veröffentlich hat. „Eines der größten Defizite, die dieses System bedroht, ist die Unkenntnis und das Unverständnis der Bevölkerung über die Leistungen und Tätigkeiten sowohl der Ärzteschaft als auch der Pflegekräfte und der Fachkräfte im Gesundheitswesen. Diese Unkenntnis führt zu einer vollkommenen Fehleinschätzung der Notwendigkeiten, um ein veraltetes Gesundheitssystem grundlegend zu reformieren. Die politisch Verantwortlichen sind aufgrund des 'Schielens' nach dem Wohlergehen des Wahlvolkes vollständig hilflos, eine Reformierung zu betreiben, die den Namen auch verdient.“

„Ich arbeite auch in einem Krankenhaus, in dem diese Zustände sind“, schreibt eine weitere Krankenschwester. „Leute gehen in die Notaufnahme wegen Schwindel oder Bauchweh. Und die Notaufnahme bricht am Wochenende zusammen.“

„Meine Erfahrung aus über 30 Jahren Tätigkeit in der Gesundheitsbranche“, teilt eine weitere Leserin mit uns: „Es ist skandalös – und das in einer modernen, aufgeklärten Welt. Es ist dringend notwendig, dass als Prävention Wissensvermittlung an erster Stelle steht und die ganzheitliche Behandlung und Ernährung auf „Heilung“ umzustellen! Wir haben das Wissen und die Möglichkeiten dafür! Wann hört unser Gesundheitssystem endlich damit auf, Profit mit kranken Menschen zu machen? Wann versteht der Mensch endlich, dass nicht Krankheit bekämpft, sondern Gesundheit gefördert werden muss?“

Auch Patientinnen und Patienten berichteten von teils traumatischen Erlebnissen.

„Auch mir begegnete Tyrannei und Unmenschlichkeit im Krankenhaus“, berichtet eine betroffene Angehörige. „Mein Mann wurde wegen Influenza B und angehender Lungenentzündung im Januar diesen Jahres ins Krankenhaus eingeliefert. Nach langem Kampf und Diskussionen wurde ein Besuch für die ersten drei Tage gestattet. Danach wurde ein absolutes Besuchsverbot ausgesprochen mit der Begründung, dass diese Krankheit hoch ansteckend sei und unter das Infektionsgesetz falle. Außerdem sei der Zustand des Patienten stabil und nur bei Sterbenden sei ein  Besuch möglich. Der letzte Anruf beim zuständigen Arzt (spätnachmittags am fünften Tag im Krankenhaus) besagte wieder einen stabilen Zustand des Patienten, Besuchsverbot gelte weiterhin. Der Anruf des Arztes am nächsten Morgen: 'Ihr Mann ist verstorben.' Man hatte mich in der Nacht nicht telefonisch verständigt. Mich schmerzt nicht nur der Verlust meines Mannes, sondern dass ich die letzten Stunden seines Lebens nicht an seiner Seite verbringen konnte und dass er einsam und verlassen sterben musste.“

Mich schmerzt nicht nur der Verlust meines Mannes, sondern dass ich die letzten Stunden seines Lebens nicht an seiner Seite verbringen konnte und er einsam und verlassen sterben musste.

„An einem Montag bin ich gegen 18 Uhr mit einer schweren bakteriellen Infektion ins Krankenhaus mit Rettungswagen eingeliefert worden“, erzählt Helmut S. „Dort habe ich gelegen, bis 23:45 Uhr. Dann kam ich 'schon' aufs Krankenzimmer. Obwohl sich Ärzte und Pflegerinnen nach Kräften bemühten, war auch die weitere Versorgung suboptimal. Kein Vergleich mit früheren Krankenhausaufenthalten.“

„Verkabelt und nackig im EKG-Zimmer vergessen“, wurde eine Leserin, die 70 Jahre alt ist . Sie berichtet von einer Untersuchung: „Nach einer Stunde im Wartezimmer wurde ich im kleinen EKG-raum auf das mehr als altertümliche EKG-fahrrad beordert. Mit nacktem Oberkörper saß ich verkabelt auf einem sehr harten Sattel, direkt neben dem Fenster. Der arzt ließ auf sich warten. 25 Minuten ließ man mich dort hocken. Keine Nachfrage nach meinem Befinden. Erst nach mehrmaligem lauten Rufen meinerseits steckte eine Helferin den Kopf durch die Tür: „Es dauert noch.“ Ich könne ja das Fenster öffnen! Wohlgemerkt, ich saß mit nackigem Oberkörper dort und draußen war es gegen 18 Uhr knackig kalt. Wieder wartete ich in dem kleinen Zimmer hinter verschlossener Tür. Als mir die Situation unzumutbar wurde, rief ich wieder mehrmals. Ich ließ mich dann entkabeln und beschwerte mich. „Setzen Sie ihre Maske auf!“, hieß es nur. Die Ansprache war arrogant und frech. Ich hatte immerhin schon mehr als 100 Minuten mit Maske hinter mir. Ich bin 70 Jahre, habe Asthma, Arthrose im Rücken, Knieprothesen und, da beim Kardiologen, auch nicht das beste Herz. Ich habe die Praxis dann verlassen. Auf diesen Termin habe ich sechs Wochen gewartet!!!“

Auch deutliche Kritik an unserem Gesundheitssystem wurde laut:

„Meine Erfahrungen mit dem deutschen Gesundheitssystem als gesetzlich Versicherte sind durchwegs katastrophal“, schreibt eine Leserin, die aus dem Ausland stammt. „Ich fühlte mich an jedem anderen Ort auf diesem Planeten besser behandelt – von Italien bis Bolivien.“

Ich fühlte mich an jedem anderen Ort auf diesem Planeten besser behandelt als in Deutschland – von Italien bis Bolivien.

„Die Politik hat versagt seit dem sie die öffentlichen Krankenhäuser und Pflegeheime privatisiert hat“, schreibt uns Joachim S . „Ein privater Unternehmer will und muss Geld verdienen. Dies kann er im Pflegebereich am besten über Personalkosten. Die verringert er, in dem er Personal einspart oder schlechter bezahlt – am besten aber gleich beides.“

„Was macht es für einen Sinn, wenn man keinen Hausarzt mehr hat, man zu einer Notsprechstunde geht, aber dann nicht weiter behandelt wird?", schreibt eine weitere Leserin. „Das ganze Gesundheitssystem ist krank, es gehört in öffentliche Hand und darf nicht gewinnorientiert sein, denn das bekommt den Patienten und auch dem Personal nicht.“

An dieser Stelle wollen wir uns auch bei allen weiteren Leserinnen und Lesern bedanken, die uns ebenfalls ihre Geschichten geschildert haben.

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